Wie jedes Jahr entsandte das Schloss Johannisberg, welches zu damaligen Zeiten noch dem Hochstift Fulda zu Eigen war, auch im Jahr 1775 einen Boten mit reifen Trauben der Schlossweinberge nach Fulda. Dieser sollte den dortigen Fürstbischof um Erlaubnis zum Lesebeginn bitten. Als der Bote auch nach einigen Wochen noch nicht von seinem Dienstritt zurückgekehrt war, wuchs die Sorge der Mönche, denn die Trauben waren schon längst reif und alle umliegenden Weingebiete hatten schon mit der Lese begonnen. Viel zu spät erreichte der Bote mit der Erlaubnis des Fürstbischofs das Schloss, dessen Rebstöcke auf den Weinbergen nur noch verschimmelte Trauben trugen. Trotz der Zweifel, ob aus diesen überhaupt noch ein guter Wein entstehen könne, begannen die Mönche mit der Verarbeitung der verschimmelten Beeren. Wider Erwarten wurde aus diesen kein ungenießbarer Trank, sondern ein Wein, der mit seiner Süße und zuvor nicht bekannten Aromen überraschte. Von diesem Tag an machte man am Schloss Johannisberg die Spätlese zum festen Bestandteil der Weinlese. Zu Ehren des Boten, welcher seitdem als “Spätlesereiter” bekannt ist, fertigte man eine Statue seines Abbilds an. Diese steht heute im Innenhof des Schlosses Johannisberg und erinnert seine Besucher an die legendäre Geschichte des Spätlesereiters, der durch sein Zuspätkommen die Entdeckung des edelsüßen Weins anstieß.
Nun fragen Sie sich vielleicht, weshalb aus den verschimmelten Trauben ein so hervorragender edelsüßer Wein hergestellt werden konnte. Die Antwort liegt im Wesen dieses besonderen Schimmels. Die sogenannte Edelfäule, auch Botrytis Cinerea genannt, befällt bei passender meteorologischer Lage die Beeren und greift deren Schale an, sodass diese porös wird. Ist die Wetterlage allerdings zu feucht und die Trauben noch nicht reif genug, kann der Botrytis-Pilz in Form der sogenannten Rohfäule, auch “Sauerfäule”, bis zu 80% des Lesematerials eines Weinguts unbrauchbar machen. Daher erweist sich der unter Winzern sonst so geschätzte Pilz hin und wieder auch als ein folgenreicher Fluch für die Winzer.
Die von der Edelfäule hervorgerufenen Löchlein in der Haut ermöglichen die Evaporation des Wassers aus den Beeren - Zucker und Säure bleiben zurück. In Extremfällen kann deren Zuckergehalt so auf bis zu 45 % ansteigen. Aufgrund des hohen Zuckergehalts kann die Hefe die Glucose nicht komplett vergären, weshalb einerseits der Alkoholgehalt des daraus entstehenden Weines verhältnismäßig gering bleibt und dieser im Endprodukt einen üppig süßen - im Weinjargon “edelsüßen” Geschmack aufweist. Außerdem spricht man bei edelsüßen Weinen oft von einem honigartigen Botrytiston im Geschmack, welcher - wie der Name schon verrät - Honigaromen mit sich bringt. Äußerliche Merkmale eines edelsüßen Weins sind die goldgelbe Farbe und die beinahe ölige Konsistenz, welche beim Schwenken des Glases sichtbar wird.
Bei edelsüßen Weinen handelt es sich um Prädikatsweine. In der ersten Prädikatsstufe befindet sich die Spätlese, deren Geschmack von trocken bis hin zu edelsüß reichen kann. Wie bei allen anderen Prädikatsweinen auch ist die Anreicherung dieser zur Erhöhung der Restsüße nicht zugelassen. Neben der Spätlese zählen unter anderem zu einem Teil die Auslesen zu den edelsüßen Weinen. Bei diesen ist eine Eingrenzung schwer, da der Anteil der edelfaulen Beeren bei der Lese hierfür abhängig vom Winzer und vom Jahr schwankt. Bei der qualitativ hochwertigeren Beerenauslese können neben den edelfaulen auch überreife Weinbeeren verarbeitet werden. Die hochwertigste Stufe stellt die Trockenbeerenauslese dar. Bei dieser werden weitgehend nur edelfaule, eingeschrumpfte Trauben zur Herstellung des Weins verwendet. Wie für die Beerenauslese auch, müssen die Beeren für die Trockenbeerenauslese von Hand gelesen werden.
Der Eiswein ist ebenfalls den edelsüßen Weinen zuzurechnen, obwohl die Beeren hier nicht von Edelfäule befallen sein dürfen, sondern in gefrorenem Zustand gepresst werden, um diese rare, süße Köstlichkeit herzustellen.
Die edelsüßen Weine werden vor allem aus Rieslingtrauben hergestellt. Bei einer guten Balance aus der süßen Frucht und der rassigen Säure des Rieslings entstehen aus der beliebten Rebsorte hervorragende Süßweine. Auch die Scheurebe ist perfekt zur Erzeugung edelsüßer Weine geeignet, da diese einen außergewöhnlich späten Reifezeitpunkt hat. Sie überzeugt mit einer angenehmen Säure und Duftnoten von Johannisbeere. Würzige, säurebetonte edelsüße Weine entstehen aus einer in Deutschland sonst weniger verwendeten Rebsorte: dem Chardonnay. Neben den bereits genannten Rebsorten werden auch solche wie der Muskateller, der Gewürztraminer, der Silvaner und die Huxelrebe gerne bei edelsüßen Weine eingesetzt. Edelsüße Weine werden somit fast ausschließlich aus weißen Rebsorten hergestellt.
Aufgrund des hohen Zuckergehalts edelsüßer Weine sind diese bei der richtigen Lagerung 20-30 Jahre oder sogar noch länger haltbar. Ohnehin ist eine Lagerung solcher Weine über einige Jahre von Vorteil, da diese ihre geschmackliche Vollendung erst nach 5-10 Jahren erreichen. Aufgrund der geschmacksprägenden Moleküle, welche sich mit der Zeit verändern und neu zusammensetzen, wirken edelsüße Weine oft nach einigen Jahren der Lagerung weniger süß als in ihrer Jugend. Um die höchstmögliche geschmackliche Entwicklung eines edelsüßen Weines zu gewähren, muss dieser fachgerecht gelagert werden, am besten dunkel und in einer Umgebung mit konstanter Temperatur. Um mehr über die Lagerung von Wein zu erfahren, können Sie sich auf unserem Blogbeitrag über Weinlagerung weiter zu diesem Thema informieren.
Besonders beliebt ist der Genuss von edelsüßen Wein als Dessertwein. Hier gilt: gleich und gleich gesellt sich gern, weswegen man passend zur Süße des Weins oft Eis, Sorbets oder Kuchen wählt. Die knackige Säure und der gute Extrakt der Weine passen außerdem hervorragend zu fruchtigen Desserts. Die ideale Serviertemperatur von edelsüßen Weinen liegt bei 10-13°C, da deren vielschichtige Aromen erst dann richtig zur Geltung kommen.
Wer nun Lust auf leckere edelsüße Weine bekommen hat, findet vor allem bei Weingütern rund um die Mosel und im Rheingau genau das Richtige. Besonders das Weingut Schloss Johannisberg, das die Geschichte des deutschen edelsüßen Weines stark geprägt hat, verfügt noch heute über qualitativ hochwertige edelsüße Weine. Aber auch das pfälzische Weingut Frey ist prädestiniert für das süße Getränk: Der Winzer aus der Pfalz stellt ausschließlich edelsüßen Wein her und ist Meister auf seinem Gebiet. Überzeugen Sie sich selbst vom Genuss edelsüßer Weine - eine große Auswahl finden Sie bei uns im Online-Shop.
Herzliche Grüße
Ihr WirWinzer-Team