Die Wiederentdeckung alter Reb-Kulturen im 20. Jahrhundert hat es geballt Umbrüche im Weinbau Deutschlands gegeben wie viele Hundert Jahre zuvor nicht. Das lag zunächst an klimatischen Veränderungen, aber auch am deutlich verbesserten Wissen um die Weinbereitung, die Geschmäcker entwickelten sich über viele Jahrzehnte unterschiedlich, und schließlich gab es durch die Globalisierung und Internationalisierung des Weinhandels eine Ergänzung des jeweils heimischen Rebsortenspiegels durch zunehmend gefragte Rebsorten aus dem Ausland.
Leidtragende dieser Umwälzungen waren und sind die angestammten, meist sehr alten Rebsorten, die seit Jahrhunderten angepflanzt und gehegt wurden. Einige von ihnen drohten ganz zu verschwinden und überlebten nur, weil der eine oder andere Winzer beharrlich seine alten Rebpflanzen bewahrte oder eine Rodung eines alten Rebgartens aus irgendwelchen Gründen ausblieb. Heute erleben wir bei manchen dieser zur Preziose gewordenen Rebsorten eine schrittweise Wiederentdeckung. Wir sehen in der Rebsortenvielfalt einen besonderen Reiz, freuen uns über Weine jenseits des Mainstream und geschmackliche Überraschungen, die unseren Weinhorizont sinnvoll erweitern.
In unserer 5teiligen Serie stellen wir Ihnen einst fast vergessene und nun wiederentdeckte, alte Rebsorten vor, die es verdient haben, geschätzt, bewahrt und geehrt zu werden. Diesesmal geht es um den Sankt Laurent.
Teil 4/5: der Sankt Laurent
Die Reben des St. Laurent wurden in der Mitte des 10. Jahrhunderts von Johann Bronner, einem Apotheker und Weinbaupionier, aus Frankreich nach Deutschland gebracht. Von dort ausgehend erfuhr die Rebsorte bald vor allem in Österreich und Tschechien sowie in der Slowakei große Beliebtheit. Bei dieser Rotweinrebsorte handelt es sich vermutlich um einen natürlichen Burgundersämling, der wahrscheinlich wegen der Essreife der ersten Trauben um den Laurenzitag am 10. August zu seinem Namen gekommen ist. Eine weitere Vermutung ist, dass er nach dem Schutzpatron der Bierbauer und Köche St. Laurentius benannt ist.
Bezüglich der möglichen Qualitäten ist der St. Laurent dem eher anspruchslosen, aber eben auch oft einfach ausgebauten Portugieser deutlich überlegen und erreicht bei entsprechender Pflege, mit penibler Erntegutselektion und bei angemessener Reife die Güte eines hochwertigen Spätburgunders. Angebaut wird der St. Laurent heute vor allem in Österreich und Tschechien. In Deutschland ist er vor allem in der Pfalz und in Rheinhessen vertreten, wobei er generell vergleichsweise nur noch selten vorkommt. Wegen seines frühen Austriebs ist er anfällig für Frühjahresfröste, reift dafür aber umso früher. Die Reben des St. Laurents sind was Aufzucht und Pflege betrifft eher schwierig und bringen zudem verhältnismäßig wenig Ertrag, weshalb er über die Jahrzehnte bei den Winzern hierzulande oftmals durch ertragssicherere Rebsorten ersetzt wurde.
Der St. Laurent besticht vor allem durch sein besonderes Aroma. Er duftet intensiv nach Waldbeeren und Schwarzkirschen und besitzt Aromen von schwarzen Johannisbeeren und Bitterschokolade. In jungen Jahren fällt seine Aromatik wild und animalisch, aber in jedem Falle spannend aus.
In den letzten 10 bis 15 Jahren besinnt man sich zunehmend wieder auf die bekannten Qualitäten des Sankt Laurent und nimmt für die möglichen Spitzenweine die Nebengeräusche der nicht unproblematischen Rebsorte im Weingarten in Kauf. Im Idealfall belohnt der Sankt Laurent die Akribie des passionierten Winzerns mit finessereichen Rotweinen, die ihresgleichen suchen. Ins Auge (und auf den Gaumen...) fällt neben der bestechenden Fruchtaromatik zudem seine kräftige Farbe von granatrot bis violett. Geschmacklich empfiehlt er sich bestens zu Gerichten mit Wild und kräftigen Soßen, Rinderbraten, Schinken und würzig-gereiftem Käse.