Die Wiederentdeckung alter Reb-Kulturen im 20. Jahrhundert hat es geballt Umbrüche im Weinbau Deutschlands gegeben wie viele Hundert Jahre zuvor nicht. Das lag zunächst an klimatischen Veränderungen, aber auch am deutlich verbesserten Wissen um die Weinbereitung, die Geschmäcker entwickelten sich über viele Jahrzehnte unterschiedlich, und schließlich gab es durch die Globalisierung und Internationalisierung des Weinhandels eine Ergänzung des jeweils heimischen Rebsortenspiegels durch zunehmend gefragte Rebsorten aus dem Ausland.
Leidtragende dieser Umwälzungen waren und sind die angestammten, meist sehr alten Rebsorten, die seit Jahrhunderten angepflanzt und gehegt wurden. Einige von ihnen drohten ganz zu verschwinden und überlebten nur, weil der eine oder andere Winzer beharrlich seine alten Rebpflanzen bewahrte oder eine Rodung eines alten Rebgartens aus irgendwelchen Gründen ausblieb. Heute erleben wir bei manchen dieser zur Preziose gewordenen Rebsorten eine schrittweise Wiederentdeckung. Wir sehen in der Rebsortenvielfalt einen besonderen Reiz, freuen uns über Weine jenseits des Mainstream und geschmackliche Überraschungen, die unseren Weinhorizont sinnvoll erweitern.
In unserer 5teiligen Serie stellen wir Ihnen einst fast vergessene und nun wiederentdeckte, alte Rebsorten vor, die es verdient haben, geschätzt, bewahrt und geehrt zu werden. Diesesmal geht es um den Blauen Silvaner.
Teil 3/5: der Blaue Silvaner
Der Blaue Silvanerist - so wird heute vermutet - eine alte Mutation des bekannten und sehr viel weiter verbreiteten Grünen Silvaners. Er wird heute in Franken und Rheinhessen in äußerst geringen Mengen von passionierten Winzern angebaut, die die Vorzüge dieser Rebsorte schätzen. Zwar ist der blaue Farbstoff in den Schalen nicht besonders stark ausgeprägt und der Wein deshalb in jedem Falle ein weißer, aber es gibt Winzer, die die blaue Farbe schon deshalb für vorteilhaft halten, weil die Trauben bei Ernte von Hand deutlich leichter unter der Blätterwand der Rebstöcke zu erkennen sind. Sehr oft findet man die blaue Spielart des Silvaners im fränkischen gemischten Satz, den traditionsbewußte Winzer teils noch aus der Großvaterszeit bewahrt haben und damit eine einmalige Weinkultur mit historischem Hintergrund pflegen.
Die RebsorteSilvaner als solche war noch 1953 die meistangebaute Rebsorte der Pfalzund zu dieser Zeit die wichtigste deutsche Rebsorte, lebt aber seit den 1970er Jahren im Schatten des Weißweinkönigs Riesling. Die einst für ihre hohen Erträge geliebte Rebsorte hat In den letzten Jahren jedoch wieder an Akzeptanz dazugewonnen und wird von einer Vielzahl leidenschaftlicher Winzer in sämtlichen Anbaugebieten mit Sorgfalt und dem nötigen Knowhow zu Spitzenweinen ausgebaut. Wichtigste Erzeuger sind Rheinhessen, gefolgt von Franken und der Pfalz. Außerhalb Deutschlands findet man im Elsass nennenswerte Flächen, hier zählt Silvaner zu den sieben zugelassenen Rebsorten. In Österreich spielt die dort autochthone Rebsorte so gut wie keine Rolle mehr.
Silvaner ist eine Diva, was die Beschaffenheit des Bodens betrifft. Da er recht früh austreibt ist er weiterhin sehr für Frühjahrsfrost empfindlich. Allein die richtige Lage entscheidet folglich oft über Sieg oder Niederlage.
Ähnlich wie Riesling oder Chardonnay können die Trauben des Silvaners ihre Lage perfekt in Wein übersetzen. Zwar bevorzugt Silvaner eher fruchtige, mittelschwere bis schwere Böden und eignet sich schlecht zum Anbau auf flachgründigen Böden, findet dafür aber in Franken und Rheinhessen verschiedene Grundlagen, um sich bestens zu präsentieren. In der Nase zeigt er sich blumiger und erdiger als Riesling, auch seine Säure ist milder. Er bietet allerdings sämtliche Grundlagen, um vom Winzer in jede nur erdenkliche Richtung gestoßen zu werden. Silvaner kann jeden Geschmack treffen, eignet sich ebenso zum Ausbau im Holzfass wie als spontan vergorener Orange-Wine.
Wenn Silvaner genügend Zuwendung im Weinberg erfährt, etwa durch Ertragsreduzierung und korrektes Laubwandmanagement, bewegt er sich weg von der Masse und hin zu wahrer Klasse.