Winzer Florian Hollerith führt gemeinsam mit seinem Vater Peter im südpfälzischen Maikammer das Familienweingut, das besonders für seine kräftigen Rotweine bekannt ist.
In unserem Interview möchten wir den von der Kunst inspirierten Winzer näher kennenlernen.

Ihre Familie führt den Betrieb seit einigen Generationen. Was bedeutet das für Sie?

Mein Großvater hat schon Weinbau betrieben, allerdings wurden die Trauben an Genossenschaften verkauft. Mein Vater hat das Geschäft dann irgendwann übernommen und angefangen selbst Weine herzustellen. Die Tradition wurde mir also schon als kleiner Bub nahegelegt und somit habe ich Anfang der 90er meine Lehre gemacht.

War es für Sie von Anfang an klar, dass Sie das Weingut übernehmen werden?

In meiner Sturm und Drang Phase hatte ich viele Ideen, was ich mit meinem Leben so anstellen könnte. Da ich eine künstlerische Ader habe, dachte ich an Grafikdesign oder Innenarchitektur. Der Betrieb ist jedoch, genau wie die Nachfrage an Flaschenweinen, immer mehr gewachsen. Also war für mich dann doch relativ schnell klar, dass ich meine Winzerlehre mache. Anfang der 0er Jahre bin ich voll in den Betrieb mit eingestiegen und war von Anfang an für die Weine im Keller verantwortlich. Da lag die Verantwortung also direkt bei mir. Es ist ja eine große Verantwortung Weine zu machen. Da kann man viel richtig machen, aber auch viel falsch.

Was fasziniert Sie am Winzerberuf besonders?

Das schöne am Winzerberuf ist, dass man unheimlich viele Stationen durchschreitet. Gerade in einem Familienbetrieb in dem ausnahmslos alles selbst gemacht wird. Auch der direkt Kontakt zu unseren Kunden macht Spaß. Also ich mag an dem Beruf diese Vielseitigkeit und dieses riesiges Spektrum an Vielseitigkeit, das macht den Beruf einfach aus. Außerdem werden jedes Jahr die Karten neu gemischt, also jeder Jahrgang ist anders. Es bleibt immer spannend. Das mag ich.

Gibt es prägende Erlebnisse…?

Ein Schlüsselerlebnis waren die Praktika, die ich gemacht habe. Mitte der 90er war ich bei meinem Patenonkel in den USA und habe in seinen zwei Weingütern gearbeitet. 2007 war ich aus eigener Initiative heraus in Bordeaux und habe verschiedene Chateaus und Weingüter besucht. Neue Länder, neue Kulturen, die Sprache. Da sammelt man viele praktische Erfahrungen, das war wirklich sehr inspirierend.

Welche Entwicklungen in der Weinwelt finden Sie zur Zeit besonders spannend?

Interessant finde ich, dass man gegenwärtig den Trend verspürt, dass Parallelwelten stattfinden. Auf der einen Seite diese moderne Weinbereitung mit den modernen Methoden. Die fruchtigen Weine, diese „easy-drinking-Weine wie man so schön sagt.

Auf der anderen Seite dann auch dieses Freakige. Naturweine, Orangewine und einfach dieser Mut zu experimentieren. Wo Weißweine wie Rotweine hergestellt werden. Mit Haut und Haaren, sage ich jetzt mal grob, vergären lassen und damit verrückte Sachen machen. Das finde ich toll!

Wie stark gewichten Sie Auszeichnungen und Kritiken? Wie wirken sich diese auf Ihre Arbeit aus?

Unser Weingut ist seit vielen Jahren im Eichelmann, Feinschmecker und Gault Millau vertreten. Ich bin allerdings nicht der Typ, der seine ganze Kollektion darauf ausrichtet, dass er da möglichst positiv und hoch bewertet abschneidet. Da bleibe ich mir lieber selbst treu und mache Weine, von denen ich überzeugt bin. Zumal meine Weine auch immer ein bisschen Zeit brauchen! Oftmals erreichen sie ihren Höhepunkt erst nach 1-2 Jahren. Es ist schön dort erwähnt zu sein. Die sind ja auf uns zugekommen und wir haben unsere Kollektion dort abgegeben. Schön ist es schon zu wissen, wo man eingeordnet wird!

Was hat 2016, bezogen auf Wein, bis jetzt für Sie gebracht?

Wir sind seit ein paar Tagen in der Weinlese und es ist echt wie gemalt! Wie aus dem Obstgeschäft. Heute waren wir Müller-Thurgau lesen und es ist wirklich optimal. Beim Rotwein wird es jetzt nicht so das Knallerjahr wie 2015, aber wer gut gearbeitet hat, der kann auch da tolle Sachen bekommen. Da bin ich positiv.

Typisch für Weine aus der Süd-Pfalz?

Die Südpfalz ist ein unheimlich vielschichtiges Anbaugebiet. Was das mittlerweile für einen Qualitätsschub bekommen hat und was da gemacht wurde. Das ist unglaublich! Wir haben hier eine Breite. Du bekommst hier einen Top-Spätburgunder, aber auch Scheurebe und Gewürztraminer.. Das ist ein Allround-Könner. Aber gut, wirklich gut!!!! Und das Ganze zu einem super Preis-Leistungs-Verhältnis. Da sind wir schon gesegnet.

Was ist typisch für Ihre Weine?

Bei unseren Weinen ist das Einzigartige, dass wir bzw. ich die Weine mit dem Jahrgang mache. Ich versuche die Vorteile des Jahrgangs in einem Wein widerspiegeln zu lassen. Dadurch, dass ich mein Handling im Keller und Weinberg ausgefeilt habe, gibt es eine Linie und Personality in meinen Weinen, was diese so speziell und liebenswert macht. Charakter und Persönlichkeit im Wein sind sehr wichtig, gerade bei einem kleineren Weingut.

Ihre Etiketten sind zum Teil ungewöhnlich

Für die Gestaltung der Etiketten bin zum größten Teil ich zuständig. Gerade bei den künstlerischen Etiketten gibt es nicht jedes Jahr neue. Das braucht immer Zeit und Raum bis sich etwas neues ergibt. Aber klar mache ich mir immer mal Gedanken, was man Neues bringen könnte. Diese kalligrafischen Etiketten, die beispielsweise auf dem Merlot Barrique sind, das sind so Sachen, die spontan irgendwann mal entstanden. Außerdem haben wir die Magnum-Flaschen, die direkt bemalt werden. Wir haben einige Liebhaber unter unseren Kunden, die von jedem Jahrgang original bemalte Weinflaschen sammeln.

 

Auf was legen Sie in Ihrem Weingut besonders großen Wert?

Das ganze Paket muss stimmig sein, man muss gerne dort arbeiten. Es ist ja schon ein Hobby, das zum Beruf wird und es muss transparent sein. Die Abläufe sind grob vorgegeben, aber an den Feinheiten muss jedes Jahr neu geschraubt werden. Es hat schon auch ein bisschen was mit Offenheit anderen Weinen, Winzern, Regionen und Weingütern gegenüber zu tun. Nur so kann man sich weiterentwickeln! Es mit mir super wichtig, mich da inspirieren zu lassen und diese Inspiration wieder in meinem Weingut einfließen zu lassen.

Die Cuvée „No Limit“ zählt zu Ihren Verkaufsschlagern. Was macht diesen Wein so besonders?

Der No Limit ist ein Wein, der verändert sich. Da gibt es kein grundlegendes Rezept wie der jedes Jahr sein soll, sondern der ist frei und offen und alles ist möglich. Es soll nur schon ein Rotwein in der oberen Liga sein. So habe ich bereits 2003 den ersten No Limit gemacht. Das ist dann ein Wein, eine Idee, eine Philosophie, auf die man seinen Fokus legt. Der erste No Limit 2003 war ein ganz opulenter Wein, so ab 2010/11 wurde er ein bisschen feingliedriger, subtiler, fast schon intellektuell, bei dem man den Trinkspaß aber trotzdem nicht verliert. Ich bin mittlerweile der Meinung, dass der No Limit einWein ist, der eine ganz eigene Welt darstellt und sich immer weiterentwickelt. Er geht auch mit der Person. Als Mensch wenn man älter wird und sich verändert. Man ist selbstkritischer, und so wirkt sich das auch auf den Wein aus. Der Macher und der Wein wachsen gemeinsam.

Beim Ausbau haben Sie sich auf schwere Rotweine spezialisiert. Welche sind die Gründe für diese Spezialisierung?

Mein Vater hat schon Mitte der 80er Jahre angefangen mit den Barriquefässern zu arbeiten. Irgendwann hat man halt gemerkt, dass es sich auszahlt den Ertrag im Weinberg zu minimieren und im Barrique auszubauen, so dass dann auch das ganze Paket am Ende stimmt. Das war bei uns einfach eine Entwicklung seit mein Vater damit begonnen hat.

Ich selbst gehe auch oft zu Weinverkostungen, auf denen hochkarätige Bordeaux-Weine oder Burgunder probiert werden. Und da hat es bei irgendwelchen Weinen einfach Klick gemacht, und ich dachte mir „Hey, auf so eine Ebene zu kommen. Das wärs!“ Man will ja auch nichts kopieren. Der No Limit wurde inspiriert durch Top-Italiener und Bordeaux-Weine, will aber nicht nachahmen, sondern will seinen eigenen Charakter oder Persönlichkeit haben- einfach eine ganz eigene Liga darstellen!

Sie gelten als Barrique-Pionier, wie sehen Sie sich selbst?

Als Barrique-Pionier würde ich mich selbst gar nicht sehen. Das war gerade in den 80er Jahren, da war die erste Generation der Weingüter Becker, Wehrheim und Siegrist, die sich zusammengeschlossen und über die Barriques ausgetauscht haben, und später auch anfingen Weißweine im Barrique auszubauen. Und ich erinnere mich, dass mein Vater damals Fässer von Siegrist bekommen hat, so gesehen bin ich eher die 2 Generation. Wichtig ist der Wein, der am Ende entsteht. Ich hab wirklich viel mit Barriques ausprobiert. Verschiedene Hersteller, Brennungen, Holzlagerungen. Ich habe bei einigen Herstellern über die Schulter geschaut, einfach damit ich weiß, was da gemacht wird und dahinter stehen kann.

Was sind die wichtigsten Prinzipien Ihrer Arbeit als Winzer?

Man sollte selbstkritisch sein und sich Kritik auch eingestehen können. Wenn man jung ist, nimmt man sich das Ganze noch mehr zu Herzen, aber das ist das, was man lernen muss. Das bringt einen nach vorne und es geht weiter. Aber man sollte es auch nicht übertreiben und zu viel mit sich hadern. Die Mischung macht’s! Man muss einfach mit sich selbst entspannt bleiben, aber trotzdem immer noch offen. Jedes Jahr ist neu, die Erfahrung bilden einen Anker, an dem man sich festhalten kann. 

 

Der Wein entsteht im Weinberg, sehen Sie das genauso?

Unsere Lage Maikammerer Heiligenberg ist komplex, vielschichtig, mit sehr vielen verschiedenen Bodenstrukturen und Arten. Das macht die Lage aus und da kann man viele Rebsorten bewirtschaften, wenn man sie an den richtigen Stellen gepflanzt hat und den Weinberg richtig pflegt. Um da nochmal auf die Aussage „Im Weinberg entsteht der Wein"einzugehen: genauso sehe ich es auch! Also zu 90% bestimmt. Den letzten Schliff, den möchte ich machen. Manche Reben vertragen einfach nicht so viel wie andere, und ich möchte ganz genau wissen, was an welchem Stock hängt. Es ist einfach sehr abwechslungsreich in einem Weinberg. Da muss man sich die Mühe machen und persönlich reingehen. 

 

Ihre Winzer-Philosophie in einem Satz?

Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll“ (J.W. von Goethe)

Das Interview führte unsere Mitarbeiterin Lena Pollmann.